Weihnachten mit Herrn Trump

Eine Geschichte des Landschreibers Eberhard Gladrow

Die ZEIT hat kürzlich in einem Aufruf drei Schriftsteller gebeten, sich zu Weihnachten eine Kurzgeschichte auszudenken. Keine beliebige Geschichte. Jeder Text, das war die besondere Aufgabe, musste folgende Wörter enthalten: »Vanillekipferl«, »Trump« und »Versöhnung«.

Mit anderen Worten, eine literarische Weihnacht: Drei Wörter – drei Erzählungen.

Nun hat die Zeit nicht mich aufgefordert, was sie natürlich hätte tun dürfen. Dennoch habe ich mich dieser Herausforderung gestellt und eine kleine Geschichte unter Einhaltung der gegebenen Bedingungen geschrieben:

Weihnachten mit Herrn Trump

„Puh“, stöhnte Herr Trump und legte die Backutensilien zur Seite.
So kurz vor Weihnachten wollte er sich mit allen versöhnen, denen er in irgendeiner Weise zu nahe getreten war. Deshalb hatte er sich in dem alten Flugzeughangar eine kleine Backstube eingerichtet, um Vanillekipferl zum Verschenken zu backen. Die kannte man in „Good Old America“ nicht, deshalb wäre die Überraschung bei den Beschenkten umso größer. Er hatte zwar ein bisschen Bauchschmerz-en, stammte das Rezept doch aus Europa. Und Weihnachten war doch auch irgendwie europäisch, nein, eigentlich sogar asiatisch oder gar afrikanisch? So genau wusste er es nicht. Europa, Asien, Afrika, alles eins. Und Gott? Ganz bestimmt ein Amerikaner, schließlich sitzt der ganz oben.

Problematischer war da schon Jesus, dieser Palästinenser, der dürfte nicht in die USA einreisen. Ein richtiger Rebell, so was fehlte im gerade noch.

Egal. Weihnachten. Versöhnung.

Er zog das letzte Backblech aus dem Ofen und schichtete die Kipferl in das Regal. Riesige Regale fühlten die Halle, bis an die Decke, da lagerten schon Millionen von Kipferln. Der süßliche Geruch nach Vanille, der Mehlstaub, der überall in der Luft hing, die Weihnachtslieder, die aus dem Radio dudelten, da wurde sogar ihm warm um’s Herz. Ach, er würde das Land wieder zusammenführen und dann bis an sein Lebensende regieren, die Menschen glücklich machen, die Reichen noch reicher und die Armen nur ein bisschen ärmer.

Voller Stolz rüttelte er an einem der Regale: „Das ist mein Werk, das habe ICH geschaffen, ganz alleine, sogar OHNE Gottes Hilfe“. Wie zur Bestätigung rieselten von ganz oben einige Kipferl herunter. Es wurden immer mehr, bis sich ein unendlicher Strom an Kipferln über Herrn Trump ergoss. Er streckte die Arme aus, nach oben, den Kipferln entgegen:

„Ich bin der Größte, sogar ihr wisst es, ich habe euch erschaffen, ich bin euer Herr“.

Die Kipferln nahmen es ungerührt zur Kenntnis und fuhren gleichmütig fort, vom Himmel auf die Erde niederzugehen. Sie küssten Herrn Trump die Schuhe, drücken seine Hüfte, umschlangen seinen Hals, wuchsen ihm über den Kopf. Das war Herrn Trump dann doch zu viel an Ehrerbietung. Er versuchte zu protestieren:
„Mimf dürrft dafff pfnicht. Stoppfff. Hifffehiffe“.

Minuten später waren die Regale leer. Der Kipferlberg, ganz tief in seinem Inneren, zuckte noch ein wenig, beruhigte aber sich nach und nach. Der Staub legte sich langsam, es wurde still, nur die Lüftung des Backofens rauschte leise, im Duett mit der Country-Version von „Stille Nacht, heilige Nacht“.

Am nächsten Morgen kamen die Hilfsarbeiter, die die Kipferln in lauter kleine Päckchen verpacken sollten, jeweils 10 Stück. Dann sollten die Päckchen mit einer Autogrammkarte von Herrn Trump verschickt werden, an hunderttausende Wohnungen, auch an Obdachlosenasylen.

Die Packer packten, der Kipferlberg wurde kleiner, immer kleiner, bis Herr Trump zum Vorschein kam, ruhig, entspannt, mit geschlossenen Augen. So gelassen, so friedlich hat man ihn lange nicht mehr gesehen.

Die Anzahl der Kipferl ging nicht auf. Ein Kipferl fehlte, das allerletzte Päckchen war erst mit 9 Stück gefüllt. Da bemerkte einer der Arbeiter, dass Herr Trump ein Kipferl zwischen den Zähnen hatte. Vorsichtig befreiten sie das Kipferl aus dem Gebiss und legten es ins letzte Päckchen. Dieses Kipferl zeigte zwar deutliche Bissspuren. Aber das war nicht schlimm. Dieses Päckchen würden sie sowieso an Hillary Clinton schicken.

So wollte Herr Trump Frieden stiften und so kam es.
 

© Eberhard Gladrow

              Rheinhessische Landschreiber